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Authors: Johann Wolfgang Von Goethe

Faust (33 page)

BOOK: Faust
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Ihr wißt, auf unsern deutschen Bühnen
 
Probiert ein jeder, was er mag;
 
Drum schonet mir an diesem Tag
 
Prospekte nicht und nicht Maschinen.
 
Gebraucht das groß’ und kleine Himmelslicht,
 
Die Sterne dürfet ihr verschwenden;
 
An Wasser, Feuer, Felsenwänden,
 
An Tier und Vögeln fehlt es nicht.
 
So schreitet in dem engen Bretterhaus
240
Den ganzen Kreis der Schöpfung aus
 
Und wandelt mit bedächt’ger Schnelle
 
Vom Himmel durch die Welt zur Hölle.
PROLOG IM HIMMEL
 

Der Herr. Die himmlischen Heerscharen
.

Nachher Mephistopheles
.

Die drei Erzengel treten vor
.

RAPHAEL.

 
Die Sonne tönt nach alter Weise
 
In Brudersphären Wettgesang,
 
Und ihre vorgeschriebne Reise
 
Vollendet sie mit Donnergang.
 
Ihr Anblick gibt den Engeln Stärke,
 
Wenn keiner sie ergründen mag;
 
Die unbegreiflich hohen Werke
250
Sind herrlich wie am ersten Tag.

GABRIEL.

 
Und schnell und unbegreiflich schnelle
 
Dreht sich umher der Erde Pracht;
 
Es wechselt Paradieseshelle
 
Mit tiefer, schauervoller Nacht;
 
Es schäumt das Meer in breiten Flüssen
 
Am tiefen Grund der Felsen auf,
 
Und Fels und Meer wird fortgerissen
 
In ewig schnellem Sphärenlauf.

MICHAEL.

 
Und Stürme brausen um die Wette,
260
Vom Meer aufs Land, vom Land aufs Meer,
 
Und bilden wütend eine Kette
 
Der tiefsten Wirkung rings umher.
 
Da flammt ein blitzendes Verheeren
 
Dem Pfade vor des Donnerschlags;
 
Doch deine Boten, Herr, verehren
 
Das sanfte Wandeln deines Tags.

ZU DREI.

 
Der Anblick gibt den Engeln Stärke,
 
Da keiner dich ergründen mag,
 
Und alle deine hohen Werke
270
Sind herrlich wie am ersten Tag.

MEPHISTOPHELES.

 
Da du, o Herr, dich einmal wieder nahst
 
Und fragst, wie alles sich bei uns befinde,
 
Und du mich sonst gewöhnlich gerne sahst,
 
So siehst du mich auch unter dem Gesinde.
 
Verzeih, ich kann nicht hohe Worte machen,
 
Und wenn mich auch der ganze Kreis verhöhnt;
 
Mein Pathos brächte dich gewiß zum Lachen,
 
Hättst du dir nicht das Lachen abgewöhnt.
 
Von Sonn’ und Welten weiß ich nichts zu sagen,
280
Ich sehe nur, wie sich die Menschen plagen.
 
Der kleine Gott der Welt bleibt stets von gleichem Schlag,
 
Und ist so wunderlich als wie am ersten Tag.
 
Ein wenig besser würd’ er leben,
 
Hättst du ihm nicht den Schein des Himmelslichts gegeben;
 
Er nennt’s Vernunft und braucht’s allein,
 
Nur tierischer als jedes Tier zu sein.
 
Er scheint mir, mit Verlaub von Euer Gnaden,
 
Wie eine der langbeinigen Zikaden,
 
Die immer fliegt und fliegend springt
290
Und gleich im Gras ihr altes Liedchen singt;
 
Und läg’ er nur noch immer in dem Grase!
 
In jeden Quark begräbt er seine Nase.

DER HERR.

 
Hast du mir weiter nichts zu sagen?
 
Kommst du nur immer anzuklagen?
 
Ist auf der Erde ewig dir nichts recht?

MEPHISTOPHELES.

 
Nein, Herr! ich find’ es dort, wie immer, herzlich schlecht.
 
Die Menschen dauern mich in ihren Jammertagen,
 
Ich mag sogar die armen selbst nicht plagen.

DER HERR.

 
Kennst du den Faust?

MEPHISTOPHELES.

 
                                   Den Doktor?

DER HERR.

 
                                                  Meinen Knecht!

MEPHISTOPHELES.

300
Fürwahr! er dient Euch auf besondre Weise.
 
Nicht irdisch ist des Toren Trank noch Speise.
 
Ihn treibt die Gärung in die Ferne,
 
Er ist sich seiner Tollheit halb bewußt;
 
Vom Himmel fordert er die schönsten Sterne
 
Und von der Erde jede höchste Lust,
 
Und alle Näh’ und alle Ferne
 
Befriedigt nicht die tiefbewegte Brust.

DER HERR.

 
Wenn er mir jetzt auch nur verworren dient,
 
So werd’ ich ihn bald in die Klarheit führen.
310
Weiß doch der Gärtner, wenn das Bäumchen grünt,
 
Daß Blüt’ und Frucht die künft’gen Jahre zieren.

MEPHISTOPHELES.

 
Was wettet Ihr? den sollt Ihr noch verlieren,
 
Wenn Ihr mir die Erlaubnis gebt,
 
Ihn meine Straße sacht zu führen!

DER HERR.

 
Solang’ er auf der Erde lebt,
 
Solange sei dir’s nicht verboten.
 
Es irrt der Mensch, solang’ er strebt.

MEPHISTOPHELES.

 
Da dank’ ich Euch; denn mit den Toten
 
Hab’ ich mich niemals gern befangen.
320
Am meisten lieb’ ich mir die vollen, frischen Wangen.
 
Für einen Leichnam bin ich nicht zu Haus;
 
Mir geht es wie der Katze mit der Maus.

DER HERR.

 
Nun gut, es sei dir überlassen!
 
Zieh diesen Geist von seinem Urquell ab,
 
Und führ’ ihn, kannst du ihn erfassen,
 
Auf deinem Wege mit herab,
 
Und steh beschämt, wenn du bekennen mußt:
 
Ein guter Mensch in seinem dunklen Drange
 
Ist sich des rechten Weges wohl bewußt.

MEPHISTOPHELES.

330
Schon gut! nur dauert es nicht lange.
 
Mir ist für meine Wette gar nicht bange.
 
Wenn ich zu meinem Zweck gelange,
 
Erlaubt Ihr mir Triumph aus voller Brust.
 
Staub soll er fressen, und mit Lust,
 
Wie meine Muhme, die berühmte Schlange.

DER HERR.

 
Du darfst auch da nur frei erscheinen;
 
Ich habe deinesgleichen nie gehaßt.
 
Von allen Geistern, die verneinen,
 
Ist mir der Schalk am wenigsten zur Last.
340
Des Menschen Tätigkeit kann allzuleicht erschlaffen,
 
Er liebt sich bald die unbedingte Ruh;
 
Drum geb’ ich gern ihm den Gesellen zu,
 
Der reizt und wirkt und muß als Teufel schaffen.—
 
Doch ihr, die echten Göttersöhne,
 
Erfreut euch der lebendig reichen Schöne!
 
Das Werdende, das ewig wirkt und lebt,
 
Umfass’ euch mit der Liebe holden Schranken,
 
Und was in schwankender Erscheinung schwebt,
 
Befestiget mit dauernden Gedanken.
 
        (
Der Himmel schließt, die Erzengel verteilen sich
.)

MEPHISTOPHELES.

350
Von Zeit zu Zeit seh’ ich den Alten gern,
 
Und hüte mich, mit ihm zu brechen.
 
Es ist gar hübsch von einem großen Herrn,
 
So menschlich mit dem Teufel selbst zu sprechen.
DER TRAGÖDIE ERSTER TEIL
 
NACHT

In einem hochgewölbten, engen gotischen Zimmer
Faust unruhig auf seinem Sessel am Pulte.

FAUST.

 
Habe nun, ach! Philosophie,
 
Juristerei und Medizin,
 
Und leider auch Theologie
 
Durchaus studiert, mit heißem Bemühn.
 
Da steh’ ich nun, ich armer Tor,
 
Und bin so klug als wie zuvor!
360
Heiße Magister, heiße Doktor gar,
 
Und ziehe schon an die zehen Jahr’
 
Herauf, herab und quer und krumm
 
Meine Schüler an der Nase herum—
 
Und sehe, daß wir nichts wissen können!
 
Das will mir schier das Herz verbrennen.
 
Zwar bin ich gescheiter als alle die Laffen,
 
Doktoren, Magister, Schreiber und Pfaffen;
 
Mich plagen keine Skrupel noch Zweifel,
 
Fürchte mich weder vor Hölle noch Teufel—
370
Dafür ist mir auch alle Freud’ entrissen,
 
Bilde mir nicht ein, was Rechts zu wissen,
 
Bilde mir nicht ein, ich könnte was lehren,
 
Die Menschen zu bessern und zu bekehren.
 
Auch hab’ ich weder Gut noch Geld,
 
Noch Ehr’ und Herrlichkeit der Welt;
 
Es möchte kein Hund so länger leben!
 
Drum hab’ ich mich der Magie ergeben,
 
Ob mir durch Geistes Kraft und Mund
 
Nicht manch Geheimnis würde kund;
380
Daß ich nicht mehr mit sauerm Schweiß
 
Zu sagen brauche, was ich nicht weiß;
 
Daß ich erkenne, was die Welt
 
Im Innersten zusammenhält,
 
Schau’ alle Wirkenskraft und Samen,
 
Und tu’ nicht mehr in Worten kramen.
BOOK: Faust
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