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Authors: Johann Wolfgang Von Goethe

Faust (38 page)

BOOK: Faust
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Berufe nicht die wohlbekannte Schar,
 
Die strömend sich im Dunstkreis überbreitet,
 
Dem Menschen tausendfältige Gefahr,
 
Von allen Enden her, bereitet.
1130
Von Norden dringt der scharfe Geisterzahn
 
Auf dich herbei, mit pfeilgespitzten Zungen;
 
Von Morgen ziehn, vetrocknend, sie heran
 
Und nähren sich von deinen Lungen;
 
Wenn sie der Mittag aus der Wüste schickt,
 
Die Glut auf Glut um deinen Scheitel häufen,
 
So bringt der West den Schwarm, der erst erquickt,
 
Um dich und Feld und Aue zu ersäufen.
 
Sie hören gern, zum Schaden froh gewandt,
 
Gehorchen gern, weil sie uns gern betrügen;
1140
Sie stellen wie vom Himmel sich gesandt,
 
Und lispeln englisch, wenn sie lügen.
 
Doch gehen wir! Ergraut ist schon die Welt,
 
Die Luft gekühlt, der Nebel fällt!
 
Am Abend schätzt man erst das Haus.—
 
Was stehst du so und blickst erstaunt hinaus?
 
Was kann dich in der Dämmrung so ergreifen?

FAUST.

 
Siechst du den schwarzen Hund durch Saat und Stoppel streifen?

WAGNER.

 
Ich sah ihn lange schon, nicht wichtig schien er mir.

FAUST.

 
Betracht’ ihn recht! für was hälst du das Tier?

WAGNER.

1150
Für einen Pudel, der auf seine Weise
 
Sich auf der Spur des Herren plagt.

FAUST.

 
Bemerkst du, wie in weitem Schneckenkreise
 
Er um uns her und immer näher jagt?
 
Und irr’ ich nicht, so zieht ein Feuerstrudel
 
Auf seinen Pfaden hinterdrein.

WAGNER.

 
Ich sehe nichts als einen schwarzen Pudel;
 
Es mag bei Euch wohl Augentäuschung sein.

FAUST.

 
Mir scheint es, daß er magisch leise Schlingen
 
Zu künft’gem Band um unsre Füße zieht.

WAGNER.

1160
Ich seh’ ihn ungewiß und furchtsam uns umspringen,
 
Weil er, statt seines Herrn, zwei Unbekannte sieht.

FAUST.

 
Der Kreis wird eng, schon ist er nah!

WAGNER.

 
Du siehst! ein Hund, und kein Gespenst ist da.
 
Er knurrt und zweifelt, legt sich auf den Bauch.
 
Er wedelt. Alles Hundebrauch.

FAUST.

 
Geselle dich zu uns! Komm hier!

WAGNER.

 
Es ist ein pudelnärrisch Tier.
 
Du stehest still, er wartet auf;
 
Du sprichst ihn an, er strebt an dir hinauf;
1170
Verliere was, er wird es bringen,
 
Nach deinem Stock ins Wasser springen.

FAUST.

 
Du hast wohl recht, ich finde nicht die Spur
 
Von einem Geist, und alles ist Dressur.

WAGNER.

 
Dem Hunde, wenn er gut gezogen,
 
Wird selbst ein weiser Mann gewogen.
 
Ja, deine Gunst verdient er ganz und gar,
 
Er, der Studenten trefflicher Skolar.
 
        (
Sie gehen in das Stadttor
.)
STUDIERZIMMER

FAUST
(
mit dem Pudel hereintretend
)
.

 
Verlassen hab’ ich Feld und Auen,
 
Die eine tiefe Nacht bedeckt,
1180
Mit ahnungsvollem, heil’gem Grauen
 
In uns die beßre Seele weckt.
 
Entschlafen sind nun wilde Triebe
 
Mit jedem ungestümen Tun;
 
Es reget sich die Menschenliebe,
 
Die Liebe Gottes regt sich nun.
 
Sei ruhig, Pudel! renne nicht hin und wider!
 
An der Schwelle was schnoperst du hier?
 
Lege dich hinter den Ofen nieder,
 
Mein bestes Kissen geb’ ich dir.
1190
Wie du draußen auf dem bergigen Wege
 
Durch Rennen und Springen ergetzt uns hast,
 
So nimm nun auch von mir die Pflege,
 
Als ein willkommner stiller Gast.
 
Ach, wenn in unsrer engen Zelle
 
Die Lampe freundlich wieder brennt,
 
Dann wird’s in unserm Busen helle,
 
Im Herzen, das sich selber kennt.
 
Vernunft fängt wieder an zu sprechen,
 
Und Hoffnung wieder an zu blühn,
1200
Man sehnt sich nach des Lebens Bächen,
 
Ach! nach des Lebens Quelle hin.
 
Knurre nicht, Pudel! Zu den heiligen Tönen,
 
Die jetzt meine ganze Seel’ umfassen,
 
Will der tierische Laut nicht passen.
 
Wir sind gewohnt, daß die Menschen verhöhnen,
 
Was sie nicht verstehn,
 
Daß sie vor dem Guten und Schönen,
 
Das ihnen oft beschwerlich ist, murren;
 
Will es der Hund, wie sie, beknurren?
1210
Aber ach! schon fühl’ ich, bei dem besten Willen,
 
Befriedigung nicht mehr aus dem Busen quillen.
 
Aber warum muß der Strom so bald versiegen,
 
Und wir wieder im Durste liegen?
 
Davon hab’ ich so viel Erfahrung.
 
Doch dieser Mangel läßt sich ersetzen:
 
Wir lernen das Überirdische schätzen,
 
Wir sehnen uns nach Offenbarung,
 
Die nirgends würd’ger und schöner brennt
 
Als in dem Neuen Testament.
1220
Mich drängt’s, den Grundtext aufzuschlagen,
 
Mit redlichem Gefühl einmal
 
Das heilige Original
 
In mein geliebtes Deutsch zu übertragen.
 
        (
Er schlägt ein Volum auf und schickt sich an
.)
 
Geschrieben steht: „Im Anfang war das W o r t!“
 
Hier stock’ ich schon! Wer hilft mir weiter fort?
 
Ich kann das W o r t so hoch unmöglich schätzen,
 
Ich muß es anders übersetzen,
 
Wenn ich vom Geiste recht erleuchtet bin.
 
Geschrieben steht: Im Anfang war der S i n n.
1230
Bedenke wohl die erste Zeile,
 
Daß deine Feder sich nicht übereile!
 
Ist es der S i n n, der alles wirkt und schafft?
 
Es sollte stehn: Im Anfang was die K r a f t!
 
Doch, auch indem ich dieses niederschreibe,
 
Schon warnt mich was, daß ich dabei nicht bleibe.
 
Mir hilft der Geist! Auf einmal seh’ ich Rat
 
Und schreibe getrost: Im Anfang war die T a t!
 
Soll ich mit dir das Zimmer teilen,
 
Pudel, so laß das Heulen,
1240
So laß das Bellen!
 
Solch einen störenden Gesellen
 
Mag ich nicht in der Nähe leiden.
 
Einer von uns beiden
 
Muß die Zelle meiden.
 
Ungern heb’ ich das Gastrecht auf,
 
Die Tür ist offen, hast freien Lauf.
 
Aber was muß ich sehen!
 
Kann das natürlich geschehen?
 
Ist es Schatten? ist’s Wirklichkeit?
1250
Wie wird mein Pudel lang und breit!
 
Er hebt sich mit Gewalt,
 
Das ist nicht eines Hundes Gestalt!
 
Welch ein Gespenst bracht’ ich ins Haus!
 
Schon sieht er wie ein Nilpferd aus,
 
Mit feurigen Augen, schrecklichem Gebiß.
 
O! du bist mir gewiß!
 
Für solche halbe Höllenbrut
 
Ist Salomonis Schlüssel gut.

GEISTER
(
auf dem Gange
)
.

 
              Drinnen gefangen ist einer!
1260
              Bleibet haußen, folg’ ihm keiner!
 
              Wie im Eisen der Fuchs,
 
              Zagt ein alter Höllenluchs.
 
              Aber gebt acht!
 
              Schwebet hin, schwebet wider,
 
              Auf und nieder,
 
              Und er hat sich losgemacht.
 
              Könnt ihr ihm nützen,
 
              Laßt ihn nicht sitzen!
 
              Denn er tat uns allen
1270
              Schon viel zu Gefallen.

FAUST.

 
Erst zu begegnen dem Tiere,
 
Brauch’ ich den Spruch der viere:
 
              Salamander soll glühen,
 
              Undene sich winden,
 
              Sylphe verschwinden,
 
              Kobold sich mühen.
 
Wer sie nicht kennte,
 
Die Elemente,
 
Ihre Kraft
1280
Und Eigenschaft,
 
Wäre kein Meister
 
Über die Geister.
 
              Verschwind in Flammen,
 
              Salamander!
 
              Rauschend fließe zusammen,
 
              Undene!
 
              Leucht in Meteoren-Schöne,
 
              Sylphe!
 
              Bring häusliche Hilfe,
1290
              
Incubus! Incubus!
 
              Tritt hervor und mache den Schluß.
 
Keines der viere
 
Steckt in dem Tiere.
 
Es liegt ganz ruhig und grinst mich an;
 
Ich hab’ ihm noch nicht weh getan.
 
Du sollst mich hören
 
Stärker beschwören.
 
              Bist du Geselle
 
              Ein Flüchtling der Hölle?
1300
              So sieh dies Zeichen,
 
              Dem sie sich beugen,
 
              Die schwarzen Scharen!
 
Schon schwillt es auf mit borstigen Haaren.
 
              Verworfnes Wesen!
 
              Kannst du ihn lesen?
 
              Den nie Entsproßnen,
 
              Unausgesprochnen,
 
              Durch alle Himmel Gegoßnen,
 
              Freventlich Durchstochnen?
1310
Hinter den Ofen gebannt,
 
Schwillt es wie ein Elefant,
 
Den ganzen Raum füllt es an,
 
Es will zum Nebel zerfließen.
 
Steige nicht zur Decke hinan!
 
Lege dich zu des Meisters Füßen!
 
Du siehst, daß ich nicht vergebens drohe.
 
Ich versenge dich mit heiliger Lohe!
 
Erwarte nicht
 
Das dreimal glühende Licht!
1320
Erwarte nicht
 
Die stärkste von meinen Künsten!
 
        
(
MEPHISTOPHELES
tritt, indem der Nebel fällt, gekleidet wie ein fahrender Scholastikus, hinter dem Ofen hervor.)
BOOK: Faust
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